Einleitung: Kapitalbindung im Lager – das stille Risiko
In vielen mittelständischen Produktionsunternehmen ist in den letzten
Jahren unbemerkt Kapital im Lager gebunden. Fertigwaren, Halbfabrikate
oder Ersatzteile, die selten oder gar nicht mehr benötigt werden ("Deadstock"),
blockieren Liquidität und Lagerflächen. In Zeiten angespannter
Lieferketten, gestiegener Finanzierungskosten und rückläufiger Umsätze
kann das zur echten Gefahr für die finanzielle Handlungsfähigkeit
werden. Schon bei 5 Mio. € Lagerwert bedeuten 20 % unproduktiver Bestand 1
Mio. € gebundenes Cash.
In diesem Beitrag gehen wir zunächst auf Bestandskennzahlen ein, bevor wir uns mit vier Künstliche Intelligenz (KI)-Modellen im Praxistest beschäftigen.
1. Analyse: Wo steht Ihr Unternehmen?
Der erste Schritt ist die objektive Analyse Ihrer Kapitalbindung. Kennzahlen wie Days Sales Outstanding (DSO), Days Payables Outstanding (DPO) und Days Inventory Outstanding (DIO) liefern wertvolle Hinweise auf Liquiditätsspielräume und operative Effizienz.
Nutzen Sie dazu das interaktive Insight-Tool zur KPI-Analyse, um Ihre Werte schnell zu berechnen. Besonders der DIO-Wert (durchschnittliche Lagerdauer) zeigt, ob Bestände zu lange liegen und Working Capital binden. Die Liquiditätseffekte aus geänderten DSO-, DPO-, und DIO-Werten gegenüber der aktuellen Situation lassen sich anschaulich über unseren TWC-Rechner ermitteln.
Je niedriger der DIO-Wert, desto schneller wird Kapital wieder in
Liquidität umgewandelt. Finanzindikatoren wie das Quick Ratio oder
Liquidität 2. Grades eliminieren den Lagerbestand und geben ein klares
Bild auf die kurzfristige Liquidität (s. gesonderten Blog Beitrag “Quick
Ratio - Was bleibt kurzfristig übrig?”).
2. Maßnahmen: Liquidität aktivieren durch KI-gestützte Marktrecherche
Sobald problematische Bestände identifiziert sind (s. 3. Exkurs), geht es um Umwandlung in Liquidität. Mögliche Ansätze:
- Abverkauf an Bestandskunden, Lieferanten oder
alternative Abnehmer
- Verwertung über Recycling- oder
Restposten-Plattformen
- Umdesign oder Re-Engineering für neue
Anwendungen
- Online-Auktionen oder eigene
Verkaufsplattformen, um Nachfrage direkt zu
aktivieren.
Unterstützung durch KI bietet sich insbesondere bei der
Marktrecherche an:
| Gemini 2.5 | Claude Sonnet 4 | Grok 4 | ChatGPT-5 | |
|---|---|---|---|---|
| Marktrecherche: Anzahl potentieller Abnehmer | 14 | 14 | 8 | 25 |
| Onlineauktion: Anzahl zusätzlich benannter Unternehmen | 4 | 6 | 11 | 32 |
| Anmerkung | nur URL + Fokus | nur URL + Fokus | URL, Mail, Fon, Fokus | nur URL |
ChatGPT-5 bringt zwar die mit Abstand größte Zahl an
Marktakteuren, dafür mit minimalen Kontakt- und
Hintergrundinformationen. Anders Grok 4, welches von allen KI-Modellen
pro Treffer die meisten Detaildaten liefert.
Aber auch bei der Konzeption von Lösungen und Kommunikation mit Marktteilnehmern kann KI einen echten Mehrwert liefern:
📄 Anschreiben und eigene Auktionswebsite – Beispiele
für KI-gestützte Umsetzung
Hier zeigt sich, dass alle
Modelle prinzipiell Ihre Stärken beim Formulieren einer sinnvollen Mail
ausspielen. Der Entwurf von Gemini 2.5 ist vergleichsweise kurz und gibt
wenig prozessuale Guideline, während Claude Sonnet 4 einen tief
strukturierten Entwurf zzgl. kurzen Gesprächsleitfaden mit
Schwerpunktfragen aus Usersicht liefert. Grok 4 liefert analog Gemini
2.5 ebenfalls einen recht oberflächlichen Entwurf und gibt auch nur
geringe Ablauforientierung oder Tipps zum Vorgehen.
ChatGPT-5 liefert
einen sehr datengetriebenen Entwurf eines Kontaktschreibens inkl.
Zeitablauf und Rollenverteilung, was schon an Grundzüge einer
Projektplanungssoftware erinnert.
Die genannten Beispiele verdeutlichen, dass KI schnell unterstützen
kann bei:
- der Aufbereitung von Lagerdaten
-
der Marktrecherche zu potenziellen Abnehmern
-
dem konzeptionellen Support zu Auktionsprozessen
-
der Erstellung von Anschreiben und
Verkaufsunterlagen
Darüber hinaus bieten viele KI-Modelle erweiterte Funktionen, z. B.
dauerhafte Marktbeobachtung (Agentenmodus) oder Unterstützung beim
Aufbau einer eigenen Verkaufsplattform.
Sprechen Sie uns gerne an,
wenn Sie im ersten Schritt ein Pilotprojekt über eine eigens für
Ihr Unternehmen erstellte Auktionswebsite erstellen wollen oder den Austausch zu Überbeständen suchen.
3. Exkurs: Deadstock sichtbar machen – Datenanalyse durch KI-Modelle
Für die IT-affinen und dateninteressierten Blogleser nachfolgend ein
vertiefter Ausflug, welche Vorgehensweise die unterschiedlichen
KI-Modelle zur Bestandsanalyse empfehlen. Moderne ERP-Systeme liefern
bereits viele Daten – doch in gewachsenen Systemlandschaften fehlt oft
die Transparenz über alle Artikel, Stücklisten und Lagerorte hinweg.
Hier kann KI unterstützen,
indem sie Datenmengen strukturiert und Muster erkennt.
Ein möglicher Weg:
- Konsolidierung der Lagerdaten aus
unterschiedlichen Systemen (z. B. SAP, Microsoft Dynamics,
Insellösungen)
- Identifikation von Artikeln mit niedriger oder
keiner Umschlagshäufigkeit
- Bewertung des Bestands nach
Kundenzuordnung und Risikopotenzial
KI kann Daten clustern, Artikel mit
„Liquiditätssrisiko“ (z.B. Single Use Artikel für einen weggebrochenen
Kunden) identifizieren und Verbesserungsvorschläge ableiten. So entsteht
eine priorisierte Liste potenzieller Deadstock-Positionen als Grundlage
für Entscheidungen.
Sehen Sie hierzu die Herangehensweise der unterschiedlichen
KI-Modelle:
📄 So gehen
unterschiedliche KI-Modelle die Lageranalyse nach Umsatzeinbruch
an
📄 So
strukturieren KI-Modelle komplexe Datenaufbereitungen
Diese Vergleiche zeigen: Nicht nur im Umfang, sondern auch in den Schwerpunkten, im Grad der Konkretisierung sowie in der Umsetzungsunterstützung unterscheiden sich die Ergebnisse der Modelle. Der größte Mehrwert liegt in der strukturierten Herangehensweise und den damit einher gehenden Handlungsempfehlung für Ihr IT- und Logistikteam.
4. Wirkung: Liquidität messen und steuern
Nach Umsetzung erster Maßnahmen lohnt sich ein erneuter Blick auf die Kapitalbindung. Mit dem Total Working Capital Rechner können Sie berechnen, wie sich optimierte Lagerbestände, Zahlungsziele und Forderungsmanagement auf Ihre Liquidität auswirken.
5. Fazit: KI ist Werkzeug, kein Selbstzweck
Künstliche Intelligenz ersetzt keine Erfahrung, aber sie verschafft
Überblick und Geschwindigkeit. Es empfiehlt sich, durchaus mehrere
KI-Modelle parallel zu befragen/prompten (z.B. über openrouter.ai), da diese unterschiedliche
Stärken in puncto Marktrecherche, Projektmanagement, Datenstrukturierung
aufweisen. Der wirtschaftliche Nutzen entsteht
letztendlich erst, wenn die gewonnenen Erkenntnisse und vorgeschlagenen
Lösungswegen konsequent und mit gesundem
Menschenverstand in Maßnahmen umgesetzt werden.
Wenn Sie vor ähnlichen Herausforderungen stehen, kontaktieren Sie uns gerne unter sustenum.de/kontakt.